In der Wohnung gegenüber passierte heute etwas Neues. Durch das Opernglas erhaschte ich einen Blick auf rötliches Haar, braunes
Haar und… ich fuhr erschrocken zurück. Mich hatte ein stechendes, blaues Augenpaar direkt angeschaut. Plötzlich fühlte ich mich
ganz einsam und verlassen. Mit dem Restgeschmack Wein in meinem Mund, taumelte Christa in ihr, vom kleinsten Staubkorn
befreites Wohnzimmer. „Scheiße, Scheiße…!“ gab sie mit ihrer nasalen Stimme von sich.
Ich habe es so satt, ständig das Gefühl zu haben, auf etwas zu warten. Mit einem Klirren landet der Rotwein an der weißen Wand. Es
sah aus, als hätte sich jemand davorstehend in den Kopf geschossen. So fühle ich mich auch… mein Schädel brummt und ich
schmecke Blei auf meiner Zunge. Zur Ablenkung griff ich nach dem köstlich, frischen Spinat! Aber auch der ließ mich nicht stark wie
Popeye fühlen.
Wo ist der Sinn in meinem Leben?
Ein harter Knall an der Scheibe riss mich aus meiner Schwafelei. Ich sah gerade noch das weiße Federkleid einer Taube nach unten
stürzen – und hechtete aus der (Eingangs)Tür. Unten angekommen brach ich in schallendes Gelächter aus. Mir gegenüber stand eine
lachende Lady in ihrem hawaiianischen Überwurfmantel ohne Schuhe.
Das war ich.
Ich konnte nicht aufhören zu lachen und fühlte mich so frei, wie schon seit langem nicht mehr. Die weiße Taube war kein roter Fleck
auf dem geputzten Bürgersteig, sondern eine weiße Feder, die vor mir zu Boden segelte. Doch woher kam dann dieser Knall? Suchend
verfängt sich mein Blick in den Wipfeln der Bäume.
Wie sanfte Wogen auf dem Meer tanzen die Blätter über Allem und ich, mit ihnen.
Hier war der Auslöser nicht zu finden und es war auch nicht wichtig, denn in mir hat es etwas ausgelöst. Ich spüre meinen Herzschlag
und lächle den vorübergehenden jungen Frauen zu.
- Ende -
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